Kino immer anders


Bei aller Liebe zu Lichterketten und Friede auf Erden kann Weihnachten mitunter ziemlich anstrengend sein. Wenn bereits im November durchgehend Carols erklingen und gestresste Familienmitglieder während der gesamten Feiertage kurz davor sind, einander an die Gurgel zu springen, wünscht man sich manchmal nichts sehnlicher als eine Auszeit vom Fest der Liebe. Sogar der eigentlich tolle «It’s a Wonderful Life» wirkt bei der vierzigsten Wiederholung einfach nicht mehr so frisch wie die neununddreissig Male zuvor.

Zum Glück gibt es ein relativ günstiges Rezept gegen die Festtagsdepression: Horrorfilme. Ein Genre, welches Sentimentalität kategorisch ablehnt und Happy Ends grundsätzlich misstraut. Dabei muss man nicht einmal ganz auf die Weihnachtsästhetik verzichten, denn in den vergangenen Jahrzehnten haben auch Horrorregisseure das kommerzielle Potential des Fests erkannt. Wer es also blutig mag und trotzdem auf ein bisschen Christkindkitsch steht, dem seien nachfolgende Filme ans Herz gelegt.

BLACK CHRISTMAS

Der frühste prominente Vertreter des Weihnachtshorror-Subgenres und immer noch eines seiner besten Aushängeschilder ist «Black Christmas» (1974). In einem Wohnheim für Studentinnen geht während der Weihnachtszeit ein Mörder um, der seine Opfer im Voraus mit mysteriösen Telefongesprächen terrorisiert. Obwohl der Film als einer der ersten Slasher gilt – er war ein wichtiger Einfluss auf «Halloween» – vermeidet er grösstenteils die mit dem Genre assoziierten Klischees und fokussiert sich fast gänzlich auf den Spannungsaufbau. Das Resultat ist ein unterhaltsamer Thriller, der in seinen besten Momenten an Hitchcock heranreicht.

CHRISTMAS EVIL

Filmisch nicht ganz so gelungen, aber inhaltlich mindestens ebenso interessant ist Lewis Jacksons «Christmas Evil» (1980), in dem ein deprimierter Fabrikarbeiter zunehmend zur Überzeugung gelangt, er sei der wahre Weihnachtsmann und müsse die guten Menschen belohnen, beziehungsweise die bösen bestrafen. Wer über die absurde Prämisse und teils amateurhafte Kameraführung hinwegsehen kann, wird mit dem überraschend tiefgründigen Charakterporträt eines missverstandenen Aussenseiters belohnt. Nicht umsonst zählt der Film zu John Waters persönlichen Lieblingen.

SILENT NIGHT, DEADLY NIGHT

Auch in «Silent Night, Deadly Night» (1984) schlüpft ein verstörter Mann in die Rolle des Nikolaus, um unartiges Verhalten zu strafen. Während bei «Christmas Evil» jedoch die interessanten Charaktere über Schwächen in der Inszenierung hinwegtrösten, ist es hier das technische Geschick, das die hanebüchene Handlung erträglich macht. «Silent Night, Deadly Night» richtet sich an alle Liebhaber der blutigen Spezialeffekte, die das Horrorkino der 80er Jahre dominierten. Ein Fest für jene, die schon immer dachten, dass Jason Voorhees zur Perfektion nur ein roter Anzug und weisser Vollbart fehlen.

KRAMPUS

Leider sind gute Weihnachtshorrorfilme in den letzten Jahren eher selten geblieben, doch hin und wieder findet man dennoch einen interessanten Beitrag. Ein solcher ist «Krampus» (2015), basierend auf der gleichnamigen dämonischen Gestalt, die den Nikolaus der Sage nach bei seinen Hausbesuchen begleitet. In Michael Doughertys Filmadaption zieht die Familie Engel Krampus‘ Zorn auf sich, weil sie am Weihnachtsfest nicht miteinander auskommen kann. Zwar wird das Skript der ambitionierten Ausgangslage nicht immer gerecht, doch die Bilder sind stimmig und das Porträt der zerstrittenen Engels ist in gewisser Hinsicht eine weitaus ehrlichere Darstellung des Weihnachtsalltags als man sie üblicherweise von Hollywood kennt.

Es bestehen also durchaus Optionen, wenn man den traditionellen Weihnachtsfilmabend mit der Familie etwas unkonventionell gestalten will. Stellt sich nur die Frage, warum andere Feiertage bisher weitgehend von diesem Phänomen verschont blieben. Wo sind all die Horrorfilme über den Osterhasen? Wieso gibt es keinen Slasher, der an Chanukka spielt? Und warum hat bisher noch niemand das mörderische Potential des Pfingstmontags entdeckt? Etwas mehr Mut zur krassen Kommerzialisierung würde der Filmindustrie hier gut tun. Schliesslich müssen noch weitere Feste überstanden werden.

Mischa Haberthür

 


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