Kino immer anders


Nach Atonement (2007) und On Chesil Beach (2018), ist The Children Acteine weitere Buchverfilmung des Bestsellerautors Ian McEwan, in der Gesetz, Religion und Moral aufeinander treffen.

Fiona Maye (Emma Thompson), auch “My Lady” genannt, ist eine angesehene Richterin am Londoner Obergericht, die sich auf familiäre Rechtsfälle spezialisiert hat und oft über Leben und Tod entscheidet. Während Fiona mit Engagement ihren Gerichtsfällen nachgeht, rückt ihre Ehe immer mehr in den Hintergrund. Als ihr Mann, Jack (Stanley Tucci), verkündet, dass er eine Affäre mit einer seiner Studentinnen beginnen werde, stürzt sich Fiona kurzerhand in einen weiteren Gerichtsfall; dem an Leukämie erkrankten, fast volljährigen Adam (Fionn Whitehead), soll eine lebensrettende Bluttransfusion verabreicht werden, die er als Zeuge Jehovas jedoch ablehnt. Fiona will sich dessen selbst überzeugen und schlägt einen bislang unüblichen Weg ein, indem sie Adam im Spital besucht. Sie kann ihn jedoch nicht von der Notwendigkeit der Behandlung überzeugen und stützt ihr Urteil auf den “Children Act”. Dieses Gesetzt besagt, dass das Wohl des minderjährigen Kindes prioritär ist, unabhängig von Religion und moralischen Vorstellungen. So wird Adam die Bluttransfusion gegen seinen Willen verabreicht, was weitreichende Folgen für den Teenager und Fiona hat.

Mit der schicksalhaften Begegnung im Krankenhaus, setzt die Handlung erst richtig ein. Augenblicklich verbindet Fiona und Adam ein unsichtbares Band. Doch während sich Adam in seiner Empfindsamkeit öffnet, bleibt Fiona emotional verschlossen. Diese Diskrepanz macht den Hauptkonflikt im Film aus und spornt die Protagonisten zu Höchstleistungen an.

So ist The Children Actein faszinierendes, bewegendes und vor allem einnehmendes Schauspielduett zwischen Emma Thompson und Fionn Whitehead. Dementsprechend bleibt eine differenzierte Ausarbeitung von Fiona und Jacks Beziehung im Film aus; eine einzige, kurze Rückblende zeigt einen Ausschnitt aus glücklichen Zeiten des Paares, der für eine unbeschwerte Vergangenheit steht und entsprechend bunt in der Farbgebung ausfällt.

Essenziell ist zudem Thomsons Darstellung der “My Lady”. Sie ist facettenreich, eindrücklich und zeigt eine standhafte sowie verwundbare Richterin, die zwischen Professionalität und ihren Gefühlen hin und her gerissen ist, während sie stets um Kontrolle ringt. Mit langsamen Fahrten, nähert sich die Kamera dieser komplexen Figur an, bis sie den professionell angelegten “Panzer” durchbricht und Fionas Zusammenbruch aus nächster Distanz einfängt. Anders verhält es sich bei Whiteheads Adam; als emotional offener, tief fühlender, heranwachsender Jugendlicher, wird er von Beginn weg durch Nah- oder Grossaufnahmen portraitiert, was eine intime Begegnung zwischen ihm und den ZuseherInnen ermöglicht. Whitehead verkörpert den emotional verunsicherten Adam bravourös, indem er sämtliche Aspekte der Gefühlspalette durchspielt und so zu Fionas oftmals nonverbalen, stillen Reaktionen einen Gegenpol bildet.

The Children Act ist eine Mischung aus Drama und Gerichtsfilm, der die Konsequenzen von Fehleinschätzungen sowie eigens gesetzten Beschränkungen aufzeigt. Regisseur Richard Eyre verzichtet dabei auf den Einsatz von spektakulären filmischen Mitteln. Vielmehr geht es ihm darum, Thompson und Whitehead den entsprechenden Rahmen zu schaffen, so dass ihre Darbietung zur Geltung kommt. Dabei nutzt er Stimmungsmittel wie Licht, Farbe und Musik, die die  Gefühlslage der Figuren untermalen und so der Emotionalität im Film den Vorrang geben.                          Sehenswertes Gefühlskino!

Catherine Szeitner


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