Wenn in Spike Jonzes Her Liebe als eine “socially acceptable insanity” beschrieben wird, geht es uns in diesem Zyklus um Liebesbeziehungen oder Obsessionen, die auch in einer solchen Definition unter den Tisch fallen: Strange Love, oder besser, unkonventionelle Liebesgeschichten. So liegt das Augenmerk auf Arten und Wegen der Liebe, die unseren gängigen Vorstellungen von Normalität entgegenstehen und diese in Frage stellen.
Das Liebesfeuerwerk zünden wir mit David Cronenbergs Crash, in welchem ein traumatisches Erlebnis eine – im wahrsten Sinne des Wortes – zerstörerische sexuelle Vorliebe hervorruft. Während sich auch Peter Greenaway in A Zed & Two Noughts mit der Liebe zum Leben und gleichzeitig zum Tod als posttraumatische Folge auseinandersetzt, porträtieren sowohl Fredi M. Murer in Höhenfeuer als auch Chang-dong Lee in Oasis eine Liebesbeziehung, die durch ihre Andersartigkeit an die gesellschaftlich akzeptierten Grenzen stösst.
Vom kultigen Hongkong-Kino der 80er Jahre mit A Chinese Ghost Story, über Mike Nichols New Hollywood-Klassiker Who’s Afraid of Virginia Woolf?, bis zu Robert Zulawskis kafkaesken Possession, Todd Solondz’ schwarzhumorigem Episodenfilm Happiness oder Lina Wertmüllers Italo-Klassikers Film d’amore e film d’anarchia… – einzigartige und unkonventionelle Liebesgeschichten durchziehen alle sozialen und kulturellen Lebenswelten.
Hervorzuheben sind in diesem Zyklus zudem für einmal gleich zwei Dokumentationen: Einerseits rekonstruiert Altmeister Werner Herzog in Grizzly Man Timothy Treadwells Leben mit den Grizzlybären. In Sick: The Life and Death of Bob Flanagan, Supermasochist dokumentiert Kirby Dick andererseits das bemerkenswerte Leben und Schaffen des Performance-Künstlers Bob Flanagan.
Die elf Filme nehmen uns mit auf eine Reise an gleichsam bekannte wie unbekannte Orte der Filmgeschichte, auf der wir die Frage nach einer Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremdem – zwischen ‚normal’ und ‚abnormal’ aussen vor lassen. Vielmehr ist das Kino ein Raum, an dem sich diese beiden Pole einander annähern: In unserer Faszination für die tanzenden Schatten auf der Leinwand entdecken wir nämlich nicht zuletzt – indem jeder Film in seiner Andersartigkeit dazu anhält, diese sozialen Konventionen zu hinterfragen – uns selbst, das Eigene im Fremden. Liebe ist überall, nie normal und genau wie die Filme an der Filmstelle immer erfrischend anders.
Marc Frei, Programmationsleiter