Vor 20 Jahren starb der chinesische Regisseur King Hu in Taipei an einem Schlaganfall. Die meisten Leser werden ob dieser Tatsache verständlicherweise mit der Schulter zucken, denn Hu hat sich im Westen nie gross einen Namen gemacht. Und doch kann man ohne Übertreibung sagen, dass er zu den bedeutendsten Filmemachern Chinas zählt. Wie kein Zweiter prägte er das Martial Arts Genre, in dem sein Einfluss auch heute noch spürbar ist. Wir stellen euch im Folgenden drei seiner Filme vor:
King Hu begann Ende der 50er Jahre als Mädchen für Alles bei den Shaw Brothers in Hong Kong, dem grössten Filmstudio Chinas. Nach einigen kleineren Arbeiten schaffte er mit «Come Drink with Me» (1966) seinen Durchbruch. Der Film über eine Generalstochter, die ihren Bruder von Banditen befreien will, gehört zu den Meilensteinen in der Geschichte des Studios und wies bereits viele der Elemente auf, die zu Hus Markenzeichen wurden: fantastische Landschaftsaufnahmen, politische Intrige, komplexe Charaktere, am Rhythmus der Peking-Oper orientierte Kampfszenen und buddhistisches Gedankengut.
Kurz darauf verliess King Hu die Shaw Brothers, um in Taiwan ein eigenes Studio zu gründen. Sein zweiter Film «Dragon Gate Inn» (1967) zeigt den Zusammenprall verschiedener politisch und persönlich motivierter Faktionen in einem Wirtshaus. Auffallend ist, wie sparsam hierbei die Actionsequenzen eingesetzt werden. Im Stile eines Westerns fokussiert sich die erste Hälfte des Films fast gänzlich auf den Spannungsaufbau. Die komplexen Beziehungen der Charaktere werden bis aufs Letzte ausgeleuchtet, bevor sie sich gegen Ende gewaltsam entladen.
In seinem dritten und bekanntesten Werk, «A Touch of Zen» (1971) trieb Hu dieses Prinzip des Spannungsaufbaus auf die Spitze. «A Touch of Zen» gilt weithin als einer der besten Martial Arts Filme überhaupt, obwohl oder vielleicht gerade weil auf die dreistündige Laufzeit verteilt nur sehr wenige Martial Arts Szenen vorkommen. Stattdessen webt Hu ein komplexes Netz aus politischer Handlung und buddhistischer Weltanschauung, dass durch ruhige Gangart und herausragenden Bilder fast schon meditative Qualitäten erreicht. Ein absolutes Muss für alle Filmliebhaber, auch diejenigen, die mit Faustkämpfen normalerweise nicht viel anfangen können.
Trotz seines Status als Meisterwerk war der ambitiöse «A Touch of Zen» finanziell ein Reinfall. King Hu musste sich daraufhin mit weitaus geringeren Budgets zufrieden geben. So kam es, dass er trotz der Zusammenarbeit mit anderen Martial Arts Legenden wie Sammo Hung qualitativ nie mehr an die drei hier vorgestellten Filme anknüpfen konnte.
Es wäre verwegen zu behaupten, dass Hus Werk in jeder Hinsicht so frisch erscheint wie am ersten Tag. Einige seiner ursprünglich revolutionären Techniken wirken aus heutiger Sicht eher antiquiert; die Kampfszenen sind nicht so intensiv wie bei Lau-kar Leung oder Tsui Hark, die Akrobatik nicht so grazil wie bei Zhang Yimou oder Ang Lee. Und doch haben seine Filme etwas Zeitloses an sich, einen Hauch von Ewigkeit. Anders als viele andere Regisseure des Genres erkannte Hu, dass die ruhigen Momente so wichtig sind wie die Action selbst und seine vielschichtigen Charaktere sowie die poetische Bildsprache beeindrucken heute noch genauso sehr wie vor fünfzig Jahren. Hus Filme altern, aber sie altern in Würde.
Mischa Haberthür