Kino immer anders


Es sind rohe, brutale und gewalttätige Bilder, die wir zu sehen bekommen. Ort des Geschehens ist Ajami, ein Stadteil in Jaffa, wo christliche, muslimische und jüdische Kulturen aufeinanderprallen. Es sind Bilder, wie wir sie tagtäglich in den Medien zu sehen bekommen, und denen wir allmählich überdrüssig sind, weil sie uns immer dasselbe erzählen: Hass, Krieg, Leid, und keinen Platz für Hoffnung auf Frieden lassen. Nun haben ein Israeli und ein Palästinenser gemeinsam einen Film geschaffen, der uns einen erschütternden Einblick in die Einzelschicksale verschiedener betroffener Menschen gewährt, und dies auf eine Weise, die es uns zumindest teilweise ermöglicht, unseren engen Blickwinkel etwas zu öffnen. In fünf Teilen durch Vor- und Rückblenden erzählt uns der Film die Geschichte von verschiedenen Menschen, deren Schicksale auf komplexe Weise miteinander verflochten sind.

Die Familie Nasris, einem 13-jährigen muslimischen Jungen, wird zur Zielscheibe eines Racheakts eines Familienclans. Während Nasri sich in seine fiktive Traumwelt zurückzieht und die alltäglichen, brutalen Bilder in seinen Comiczeichnungen verarbeitet, versucht Omar das nötige Geld aufzutreiben, um seine Familie zu retten. Zusammen mit Malik, einem palästinensischen Flüchtling, der sich illegal in Jaffa aufhält, und Binj, der auf eine Zukunft mit seiner jüdischen Freundin in Tel Aviv hofft, arbeitet er in einem Restaurant. Malik, dessen Mutter im Krankenhaus liegt und dringend Geld für eine Operation benötigt, würde alles tun, um seiner Mutter helfen zu können. Und als er zusammen mit Omar und Binj mehr zufällig als gewollt in eine Drogengeschichte verwickelt wird, wittert er seine einzige Möglichkeit, das Geld für die Operation seiner Mutter zu beschaffen. An dieser Stelle kommt auch Dando, ein jüdischer Polizist ins Spiel, der dafür kämpft, das Land seiner Familie vor den Feinden – den „Fremden“ – zu schützen. Dabei überschlagen sich die Ereignisse und nehmen eine fatale Wendung…

In nur 23 Drehtagen wurden die gesamten Szenen chronologisch und vorwiegend in One Takes abgefilmt. Die Darsteller, alles Laien, arbeiteten ohne Skript und oftmals spontan – gerade so, wie sie auch in Realität auf bestimmt Situationen reagieren würden. Es wird nicht gespielt, sondern erlebt. Was dabei herausgekommen ist, ist eindrücklich und erschütternd. Den beiden jungen Filmemacher ist es in ihrem gemeinsamen Projekt gelungen, einen glaubhaften Einblick in eine Realität zu gewähren, die uns vollkommen fremd ist. Durch das geschickt angelegte Drehbuch ist der Zuschauer immer wieder gezwungen, seine Vorurteile zu hinterfragen und seine voreiligen Meinungen zu revidieren. Und allmählich muss man erkennen, das es auch in dieser uns so fremden Realität nicht nur eine Wahrheit gibt. Dass das Netz aus menschlichen Beziehungen und Gefühlen, aus politischen und kulturellen Gegebenheiten komplexer ist, als dass es ein Richtig und ein Falsch geben könnte. All dies ist Frage der Perspektive. .

Anja Schulthess


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