Kino immer anders


Anfang des 18. Jahrhunderts: Es herrscht Krieg zwischen England und Frankreich, doch die gesundheitlich angeschlagene Queen Anne (Olivia Colman) interessiert sich herzlich wenig dafür. Sie kümmert sich um ihre siebzehn Kaninchen und lässt ihrer Vertrauten, Lady Sarah (Rachel Weisz) beim Regieren freie Hand. Als Abigaile (Emma Stone), eine Cousine Sarahs, als Magd an den königlichen Hof kommt, bald schon die Gunst der Queen erlangt und in der Partei der Kriegsgegner – den Tories – Verbündete findet, wird sie zu Lady Sarah’s grösster Konkurrenz. Ein bitterböser Wettkampf um die Nähe zur Queen und die Macht am Königshof bricht zwischen den beiden Damen aus, in welchem beide Ehrgeiz und Killerinstinkt unter Beweis stellen und alle Mittel recht sind die Gegnerin aus dem Weg zu räumen.

Regisseur Giorgos Lanthimos („The Lobster“, 2015) gelingt es mit „The Favourite“ das tragische Schicksal, der an Gicht erkrankten Queen Anne und die Machtspiele am königlichen Hof in eine äusserst unterhaltsame Satire zu verwandeln. Das Treiben am königlichen Hof wird auf amüsante und groteske Weise – durch Entenrennen und ausgelassene Feste – dargestellt. Das einfache britische Volk und dessen Verarmung wird zum Politikum. Denn um den teuren Krieg zu finanzieren, bräuchte es eine Steuererhöhung, was das Land aber in einen Bürgerkriegszustand stürzen könnte.

Historisch orientiert sich der Film an Queen Annes Lebensgeschichte, den damaligen sozialen Umständen und arbeitet einige Aspekte gekonnt auf, wie das zwei Parteiensystem, das im Film durch die Gruppierung von Kriegsbefürworter (Whigs) und Kriegsgegner (Tories) dargestellt wird. Dennoch kann man dem Film vorhalten historische Tatsachen zu verzerren und eine ordentliche Portion Drama zu Unterhaltungszwecken hinzugefügt zu haben. Die Verweigerung patriarchaler Darstellung (wichtige Männerrollen sind in diesem Film nicht zu finden) ist zwar historisch nicht akkurat, in der heutigen Zeit aber umso aktueller.

Fazit: „The Favourite“ ist mehr als nur ein Zickenkrieg. Der Streifen überzeugt mit dunklem Humor und sehr grossem Unterhaltungswert, was speziell den Performances der Hauptdarstellerinnen zu verdanken ist. Der Film scheut auch nicht vor der kritischen Aufarbeitung des historischen Stoffes zurück. Das Leben am königlichen Hof wird karikiert, das weibliche Geschlecht steht im Vordergrund und der englisch-französische Krieg ist Nebensache.
Ereignisse sind Hintergrund, während Emotionen und Machtverhältnisse an erster Stelle stehen. Ein grossartiges Historien-Drama!

Leandra Sommaruga


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