Kino immer anders


Zu den grossen Privilegien jedes Filmstellemitglieds gehört nicht nur, alle sechs Monate das neue Zyklusthema wählen zu können, sondern auch, sich bei Interesse aktiv an der jeweiligen Filmauswahl beteiligen zu dürfen. In der «Progigruppe» werden während des Semesters jede Woche Filme geschaut und intensiv miteinander diskutiert, bis am Ende das neue Programm steht. Hinter den von uns gezeigten Titeln steckt also aufwändige aber auch sehr witzige und befriedigende Arbeit.

Dieses Semester fiel uns die Auswahl besonders schwer: Das Thema B!Movies: Blood, Breasts and Beasts bietet eine schier unerschöpfliche Anzahl an geeigneten Filmabend-Kandidaten. So blieben bei der Schlussabstimmung, in der aus einer bereits auf sechzig Titel reduzierten Liste die dreizehn besten ausgewählt werden mussten, diverse persönliche Favoriten auf der Strecke. Um nun gebührend auf den neuen Zyklus einzustimmen und dem einen oder anderen Kinofan Gedankenanstösse zu liefern, ist dieser Blogeintrag allen knapp gescheiterten Filmen gewidmet.

 

Weder Rodriquez, Sanders noch Tarantino

Dazu gehören unter anderem neuere Filme, die sich in ihrer Machart explizit als Hommage an das klassische Exploitationkino verstehen, wie Robert Rodriguez’ Gewaltorgie Machete, Quentin Tarantinos rasante Autospektakel Death Proof und Scott Sanders’ Black Dynamite, der gekonnt alle erdenklichen Blaxploitation-Klischees auf die Schippe nimmt. Obwohl wir uns schlussendlich entschieden haben, den Originalen bei unserer Auswahl den Vorzug zu geben, lohnt sich ein Blick auf diese modernen Vertreter definitiv.

 

Warum Kung Fu Filme und Spaghetti Western auf der Strecke blieben

Die unglaubliche Reichhaltigkeit des Themas führte leider auch dazu, dass wir nicht allen Genres gleichermassen gerecht werden konnten. So hatten wir zwei würdige Vertreter des Kung Fu Kinos auf unserer Liste: Master of the Flying Guillotine, in dem ein einarmiger Boxer gegen einen blinden Mönch mit einer tödlichen Wurfwaffe ankämpfen muss und der mit fantastischen Spezialeffekten gespickte Zu: Warriors from the Magic Mountain, dessen Protagonisten souveräner als jeder Superheld durch die Luft fliegen. Beide verpassten den Zykluseinzug nur knapp. Auch den Spaghettiwestern blieb der Triumph verwehrt. Sowohl der düstere Schneewestern The Great Silence mit Klaus Kinski in einer Paraderolle als auch der psychedelisch angehauchte Django, Kill… If You Live, Shoot! scheiterten trotz grosser Zustimmung auf der Zielgerade.

 

Trauer um menschenfressende Riesenpflanze und Helge Schneider

Besonders trauern wir um die Science-Fiction-Musical-Horrorkomödie Little Shop of Horrors, in der eine menschenfressende Riesenpflanze mit grandioser Singstimme die Weltherrschaft an sich reissen will. Auch der Wegfall des Science-Fiction-Klassikers The Incredible Shrinking Man mit seiner für die 50er Jahre beeindruckenden Tricktechnik, des auf eigenwillige Weise mit feministischen Themen spielenden Horrorstreifens Femina Ridens, der kunterbunten Comicbuchverfilmungen Danger: Diabolik und Flash Gordon– beide entstanden unter der Schirmherrschaft von Barbarella-Produzent Dino de Laurentiis – sowie des herrlich absurden Beitrags von Deutschlands eigenwilligem Komiker Helge Schneider 00 Schneider – Jagd auf Nihil Baxter wurde von einigen Mitgliedern der Progigruppe mit grossem Bedauern aufgenommen.

 

Und sogar Ed Wood hat’s nicht geschafft

Zuletzt möchten wir noch des Grossmeisters der B-Movies Ed Wood gedenken, dessen Science-Fiction-Epos Plan 9 from Outer Space sich knapp nicht gegen den ebenso amüsanten Samurai Cop durchsetzen konnte. Wer dem Film und seinen an Fäden hängenden Modellen von fliegenden Untertassen nachweint, empfehlen wir Tim Burtons liebevolle Biografie Ed Wood, die dem exzentrischen Regisseur die verdiente Hochachtung entgegenbringt.

 

Und trotzdem: VERPASST DIESEN ZYKLUS NICHT!

Dass so viele tolle Beiträge nicht in den Zyklus kamen ist jedoch keineswegs ein trauriger Umstand, sondern bestätigt vielmehr die hohe Qualität der ausgewählten Filme. Wir von der Progigruppe freuen uns riesig auf das kommende Semester. Bewaffnet mit Popcorn und Bier werden wir an den Filmabenden unsere persönlichen Favoriten huldigen und die tolle Stimmung im Publikum geniessen. Denn so aufwändig die Arbeit manchmal sein kann, so erfüllend wirkt sie, wenn man von den Zuschauerinnen und Zuschauern Lob für das neue Programm erhält.

Falls dein Interesse geweckt ist und du auch mal Lust hättest, bei der Gestaltung eines Zyklus’ mitzuwirken oder dich sonst in irgendeiner Weise an der Filmstelle zu beteiligen, melde dich ungeniert über contact@filmstelle.ch oder schreibe dich an einem der Filmabende ein. Neue Mitglieder sind uns stets willkommen!

Mischa Haberthür


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