Kino immer anders


Die Brüder Sam und Tommy könnten unterschiedlicher nicht sein: Sam hat mit ungefähr Mitte dreissig bereits eine erfolgreiche Militärkarriere vorzuweisen, ausserdem führt er eine glückliche Ehe mit seiner Highschool-Liebe Grace und ist stolzer Vater zweier hinreissender Töchter. Der jüngere Tommy hingegen wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen, wo er wegen Raubüberfalls mehrere Jahre absitzen musste, und geniesst seine neugewonnene Freiheit am liebsten in schummrigen Bars. Besonders deutlich zeichnet sich der Graben zwischen den Brüdern bei spannungsgeladenen Familienessen ab, denn Vater Hank, ein Vietnamveteran, macht keinen Hehl aus seiner Vorliebe für den älteren, verantwortungsbewussten Sohn.

Während eines Kriegseinsatzes in Afghanistan stürzt Sams Helikopter ab. Weil von der Besatzung jegliche Spuren fehlen, wird Sam für tot erklärt – tatsächlich aber findet er sich nach dem Unfall in Geiselhaft der Taliban wieder. Der vermeintliche Verlust hinterlässt tiefe Wunden bei Sams Angehörigen. Tommy versucht die Rolle des Bruders als Familienvater einzunehmen und kümmert sich rührend um seine Nichten. Allmählich nähern sich Grace und Tommy einander an – doch gerade als aus dem gegenseitigen Trost Liebe werden könnte, kehrt Sam nach Hause zurück, schwer gezeichnet von traumatischen Kriegserlebnissen. Durch die Unfähigkeit, mit seinen Erinnerungen und den häuslichen Veränderungen umzugehen, droht er die Familie in ein Desaster zu reissen.

Brothers basiert auf dem dänischen Spielfilm Brødre (2004) von der Dogma-Regisseurin Susanne Bier. An die feinfühlige Inszenierung des Originals kommt der Film leider bei weitem nicht heran: Während die Schauspieler in der dänischen Version viel Raum für die Entfaltung ihrer Figuren erhalten, scheinen die amerikanischen Jungstars oftmals an der Oberfläche ihrer Rollen gefangen, was sich in aufgesetzten Dialogen und theatralischen Gesten bemerkbar macht. Zum Glück setzt der Film neben der ausgereizten Story der Frau-zwischen-Brüdern-Dreiecksbeziehung auch andere Schwerpunkte: So erhält die Behandlung des Themas Kriegstrauma durch den Vater eine zusätzliche Ebene, denn auch dieser hat seine Erlebnisse in Vietnam nie vollständig überwunden. Obwohl der Film den Krieg auf politischer Ebene nie in Frage stellt, zeigt er doch mögliche psychische Folgeschäden davon, die eine Familie über mehrere Generationen hinweg von Grund auf verändern können.

Laura Frischke


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