Kino immer anders


Man schreibt das Jahr 1993 und der Balkan-Krieg ist noch frisch in der Erinnerung von Menschen wie der fünfzehn-jährigen Eta, welche ihn durchlebt hat. Die gleichaltrige Linda kann sich den Krieg hingegen nur durch die Erzählungen vorstellen, die sie hört und die sie faszinieren: Sie hat während der Kriegszeit mit ihrer Familie in Zürich gelebt und ist erst seit kurzem mit ihrem Vater nach Dubrovnik zurückgekehrt.

Wenn auf den ersten Blick die schönen Küsten, die Dubrovnik umringen, aus einer touristischen Postkarte zu stammen scheinen, tragen sie in Wahrheit noch die Spuren des Traumas des Kriegs. Und jetzt werden sie nochmals Zeugen eines neuen Unglücks, dasjenige von Linda und Eta. Eta provoziert gern Linda, die kindischer ist als sie. Sie treibt Linda dazu, über ihre Erfahrungen mit Jungen zu sprechen, sie stichelt über ihre Integration in der Schulklasse, sie überredet sie, ihre Kleider zu tauschen, sie küsst sie. Die zwei finden es lustig, das Schicksal herauszufordern, als sie unbekümmert auf den Hügeln spazieren gehen, wo noch viele Minen vergraben sind. Nach einer Auseinandersetzung stösst Linda Eta über eine Klippe. Die Freundin ist sofort tot.

Nach und nach, in einem Kampf gegen sich selbst, beginnt Linda sich in die tote Freundin einzufühlen, sie nimmt ihren Platz in ihrer Familie ein, sie trägt ihre Kleider, sie trifft sich mit ihrem Freund. Durch diese Erfahrungen verschmelzen die Persönlichkeiten der zwei Mädchen. Die Identitätskrise, wie eine Metapher der Transformation des Kindes in eine Erwachsene, wird Linda während des ganzen Films begleiten, bis ans Ende, wenn sie sich endlich davon lösen kann.

Teilweise ein psychologischer Thriller, teilweise ein Film über das Erwachsenwerden, ist Cure die neuste Arbeit der schweizerischen Regisseurin Andrea Stacka, die selber Wurzeln im Balkan hat. Es ist einfach, sich in diesem geheimnisvollen, verwirrenden Film zu verlieren, weil nicht alles ist, wie es scheint.

Martina Viviani


Weitere Filmkritiken