Ja, der Journalismus in der Schweiz ist im Wandel. Oder sollte man besser sagen, das gedruckte Wort? Was ist mit der Zeitung los, ist sie schon bald Geschichte? Dieter Fahrer geht dem Zeitungssterben und der schnelllebigen Welt des Journalismus nach, indem er vier verschiedene Redaktionen der Schweizer Medienlandschaft aufsucht. Da wären die Redaktion der Zeitung „Der Bund“, die des Onlinemagazins „watson“, der SRF-Radiosendung „Echo der Zeit“ und die des durch Crowdfunding entstandenen Magazins „Republik“. Sie alle zeigen im Dokumentarfilm, was es heute heisst ein Journalist zu sein. So unterschiedlich sie alle sind, so verdienen sie doch alle ihr täglich Brot mit Schreiben. Und für wen wird geschrieben?
Für die Leserschaft, die im Falle von „Der Bund“ unter anderen aus den Eltern von Regisseur Dieter Fahrer besteht, für welche das Zeitungslesen seit Urzeiten zum täglichen Ritual gehört. Für die zwei Rentner ist die Zeitung, Informations- und Inspirationsquelle zugleich und auch ein praktischer Gebrauchsgegenstand im Haushalt, dient sie doch zum Beispiel als Unterlage beim Kartoffelschälen. Auch Dieter Fahrer gehört zu den Zeitungsnostalgikern, wie er sich aus dem Off outet. Doch auch das Schaffen der Redaktion von „watson“ hat es ihm angetan und er entdeckt auf dem Portal sogar die Faszination des Alltags wieder. Währenddessen planen die Profis vom „Echo der Zeit“ ihre Sendung mit einer emotionalen Distanz und Nüchternheit, dass es einem schwindlig wird. Beim „Bund“ muss man zusammenrücken und ausmisten, an allen Ecken wird gespart, der Druck auf die Journalisten erhöht und dem Stillstand den Kampf angesagt, sodass beim Interview mit einem Betroffenen fast sinnbildlich das Licht ausgeht.
Bei der „Republik“ wird bis jetzt nur geträumt, das Magazin steht im Film noch in den Kinderschuhen (Mittlerweile ist die „Republik“ ja online). Crowdfunding soll es ermöglichen, dass sich der Leser auch mal etwas Zeit nehmen kann für das geschriebene Wort. Nicht so wie bei „watson“, wo die Beiträge möglichst kurz und knackig sein soll, unter Anbetracht der durchschnittlichen 14-sekündigen Aufmerksamkeitsspanne der Millennials.
Die vier verschiedenen Settings der Redaktionen und der fünfte Ort bei den Eltern von Dieter Fahrer geben einen guten Ausgangspunkt für tiefergehende Diskussionen rund um Medien. Dieter Fahrer wirft viele Fragen in seinem Film auf, beantwortet aber wenige. Wieso verliert der Journalist sein Ansehen, wie es auch anderen Berufsgattungen zum Beispiel den LehrerInnen ergangen ist? Für wen wird heute eigentlich geschrieben? Bestimmt die Masse heute was gut oder schlecht ist? Ist der Niedergang des Journalisten die Emanzipation der Leserschaft? Gibt es eigentlich auch sympathische Journalisten? Und wo sind die Frauen im Journalismus?
Der Film weckt meiner Meinung nach viel spannende Fragen zum Zeitgeschehen. Als Zeitdokument thematisiert er auch die Unterschiede der Generationen in der Schweiz und deren gegenseitiges Verständnis. Interessant waren die einzelnen Portraits der verschiedenen Redakteure, was dem Ganzen eine sehr persönliche Note gibt und auch sehr zur Unterhaltung beträgt. Der Nachteil ist allerdings, dass man dadurch vor allem durch Sympathien gelenkt wird, durch die eigenen oder die von Dieter Fahrer.
Ob die gezeigten Journalisten allerdings die realen Verhältnisse wiederspiegeln oder diese durch die bewusste Auswahl von Dieter Fahrer verzerrt wiedergegeben werden, kann der Zuschauer anhand des Gezeigten schlecht beurteilen und wird sogar unfreiwillig parteiisch. Der Anspruch auf einen objektiven Journalismus wird in Anbetracht einer solchen Auswahl an polarisierenden Persönlichkeiten schwierig. Was mir am Film gefällt, ist die Möglichkeit so hautnah Dabeisein und den Journalisten bei ihrer Arbeit über die Schulter blicken zu können, das macht den Zauber von einem guten Dokumentarfilm aus. Allemal sehenswert und super Diskussionsstoff!
Franziska Merz