Kino immer anders


Boston in den späten 70ern: Man nehme neun, leicht reizbare Gangster, eine unterschätzte Vermittlerin, füge einen Van voller Waffen hinzu, gebe das alles in eine leerstehende Lagerhalle und warte ab; so in etwa das Rezept für Ben Wheatleys jüngstes Werk Free Fire (UK 2016). Geschrieben wurde die neunzig minütige Actionkomödie, in der ein schiefgelaufener Waffenhandel in einem alle-gegen-alle Feuergefecht endet, von Wheatley selbst zusammen mit seiner Frau Amy Jump.

Eigentlich sollte es eine einfache Transaktion werden. IRA-Männer Chris (Cilian Murphy) und Frank (Michael Smiley) bringen das nötige Kleingeld und erhalten im Gegenzug die von Händler Vernon (Sharlto Copley) und Partner Martin (Babou Ceesay) besorgten Waffen. Obwohl schnell klar wird, dass die falsche Ware geliefert wurde, sieht es dank Vermittlerin Justine (Brie Larson) und Geschäftsmann Ordon (Armie Hammer) zunächst trotzdem noch nach einem gelungenen Deal aus. Als aber eine weitere offene Rechnung mit einem Schuss beglichen wird, heisst es auf einmal: Alle Mann, und Frau, in Deckung.

Zugegeben: der Plot ist ebenso simpel gestrickt, wie die Figuren selbst. Trotzdem ist der Film alles andere als langweilig. Die geladene Atmosphäre ist schon beim ersten Händedruck greifbar und der britische Regisseur schafft es, die Spannung durchgehend aufrecht zu erhalten, wobei er den Kinobesucher gekonnt Schritt für Schritt ins Geschehen miteinbezieht. Ab dem Betreten der Fabrikhalle, bleibt die Kamera nah an den Figuren und es fehlt jeglicher Überblick ihrer eigentlichen räumlichen Verteilung.

Auch auf akustischer Ebene wird immer wieder fürVerwirrung gesorgt, da das Gespräch aus einer Einstellungnoch in der nächsten nachhallt, in der wiederum andere Figuren gerade eine hitzige Diskussion führen.Somit merkt der Zuschauer erst zu spät, dass er eigentlich mitten in der Schusslinie steht, als der ganze Trubel losgeht. Nachdem das Feuer offiziell eröffnet wird, bleibt deshalb aufgrund von Ton, Schnitt und desorientierender Kamerabewegungen oft eine Sekunde zu lange wehrlos zwischen den Fronten zurück, während die angeschossenen Schützen bereits wieder in Deckung gehen.

Gleichzeitig wird aber klar: je mehr sich die Figuren zwischen Schutt und Asche winden, desto stärker drängt sich der nahezu karikaturistische Ton gefeuerter Munition in den Vordergrund. Selbst als gegen Ende das Klicken des leeren Magazins ertönt, verleiht immer noch die überspitzte musikalische Komposition von Geoff Barrow und Ben Salisbury dem nun explizit blutigeren Einsatz von alternativen Waffen eine herrliche Absurdität.

Spätestens als der Van umfunktioniert wird, schlägt sich der im Rücksitz mitfahrende Zuschauer lachend die Hand vors Gesicht bei der Erkenntnis, dass sich das Grundproblem ja eigentlich sehr leicht hätte lösen lassen…

Der Reiz von Free Fire liegt somit vor allem im gelungenen Miteinbezug des Kinobesuchers. Zum einen findet sich dieser durch die Komposition von Bild und Ton mitten im Geschehen wieder, zum anderen kann er sich aber über diesen ganzen Wahnsinn köstlich amüsieren. So lässt es sich auch einfacher darüber hinweg sehen, wenn die Witze inhaltlich etwas flach und Larson – wie auch Murphy – hier und da schauspielerisch etwas unterfordert wirken.

Als Ganzes betrachtet, leistet sich der Cast aber durchaus ein unterhaltsames verbales, wie bleihaltiges Gefecht, bei dem vor allem der gelassene, im Kugelhagel rauchende Armie Hammer, seine Kollegen oft an die Wand spielt. Wer sich auf diesen Film einlässt, kann sich auf einen gelungenen Wheatley Film in 70er Jahre Optik freuen, der irgendwo zwischen Tarantino und einem Westerncartoon ansetzt und trotzdem merklich die Signatur des Regisseurs trägt.

Alicia Schümperli


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