Kino immer anders


Am 7. Januar 2015 stürmten islamistische Terroristen die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris, töteten elf Personen und verletzten mehrere Anwesende. Es war der bis dato heftigste Terroranschlag in Frankreich seit Jahrzehnten und ein klarer Angriff auf die freie Meinungsäußerung. Pünktlich zum 1. Jahrestag erscheint die Dokumentation Je suis Charlie über diese Ereignisse und deren Folgen in den Kinos.

Realisiert wurde der Film von Emmanuel Leconte und seinem Vater Daniel, der schon im Jahr 2008 eine Dokumentation (C’est dur d’être aimé par des cons) über die Zeitschrift gedreht hatte, damals aufgrund der Veröffentlichungen der dänischen Mohammed-Karikaturen, mit der sich die Redaktion heftige Kritik und gar einen Prozess einhandelt hatte. Seitdem blieb Daniel Leconte mit einigen Leuten der Zeitschrift gut befreundet, was die starke emotionale Nähe zu dem jetzigen Film erklärt und damit eine gewisse neutrale Distanz einer Dokumentation vermissen lässt. Dafür haben die Filmemacher das nötige Vertrauen mit den Überlebenden schaffen können, die in eindringlichen Interviews das Geschehen an jenem Tag detailliert rekonstruieren. Außerdem erzählen die Zeugen und spontane Aushilfen beim Magazin über die Tage danach, als eine improvisierte Redaktion sich zusammenraufte, um so schnell wie möglich eine weitere Ausgabe herauszubringen, damit die Terroristen nicht gewinnen würden.

Neben diesem Interviews und Aufnahmen in der Redaktion während der Entstehung der Spezial-Ausgabe übt der Film Kritik an der Haltung der anderen Medien, Politiker und Bürger, die, nachdem die anfangs überwältigende Solidaritätswelle abflachte, entweder den Karikaturisten eine Mitschuld an der Tragödie zusprachen oder schnell das Interesse verloren, Charlie Hebdo gegen eben diese Stimmen zu verteidigen. Die einseitige Haltung der Filmemacher ist dabei nicht überraschend, es kommen nur ein paar Intellektuelle Frankreichs und Freunde der Zeitschrift zu Wort, die klar mit Charlie Hebdo solidarisieren. Statt einen echten Diskurs zu entfachen, erzählt der Film ein bisschen aus dem Leben von einigen der Opfer, entweder durch Anekdoten und Erinnerungen von Weggefährten oder durch Archivaufnahmen, abgerundet mit Interviewausschnitten aus dem 2008er-Film.

Am Ende bleibt ein schnell realisierter und emotionaler Film, der mehr ein Denkmal für die lebenden und toten Redaktionsmitglieder von Charlie Hebdo, als eine fein ausgearbeitete Dokumentation darstellt. Damit ist er aber ein nicht weniger wichtiges Zeitdokument über mutige Verfechter der Meinungsfreiheit, die sich trotz des schweren Rückschlags an jenem Januartag nicht kleinkriegen ließen.

Federico Chavez


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