Kino immer anders


Nach dem Ende der letzten Eiszeit – vor ungefähr 20.000 Jahren – bedeckt dichter, wilder, wahrhaft naturbelassener Wald den europäischen Kontinent: Bären ziehen durchs Unterholz, Hirschkäfer krabbeln über Laub und Wurzeln, Biber nagen an Ästen, Schneeeulen erspähen Mäuse, Wölfe machen Jagd auf Wildpferde. Die Tiere leben und sterben im Einklang mit den immer wiederkehrenden Jahreszeiten, mit Schnee und Eis, mit Gewitter und Regen, mit windigen Böen und der wärmenden Sonne.

Jacques Perrin und Jacques Cluzaud («Unsere Ozeane», «Nomaden der Lüfte») erzählen in der Naturdokumentation «Unsere Wildnis» von einer unwiederbringlich vergangenen Zeit. Einer Zeit, in der nicht-menschliche Tiere und der Mensch ein gemeinsames Dasein in Harmonie mit „der“ Natur erleben, bevor das Neolithikum und damit die Domestizierung von Flora und Fauna durch Ackerbau und Viehzucht einsetzt. Der Film entführt den modernen Grossstadtbürger mit beeindruckenden Bildern von atemberaubender Schönheit in ein ihm fremdes, vielleicht auch romantisiertes Zeitalter und verleiht dabei all jenen Lebewesen eine Stimme, die der Sprache des Menschen nicht mächtig sind. Dringlicher denn je kommt schlussendlich die Frage unserer Zeit in den Sinn: Wie können wir uns die wenige „Natur“ bewahren, die der Industrialisierung, dem Städtebau, dem Fortschritt noch nicht zum Opfer gefallen ist?

 

Romila Storjohann


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