Kino immer anders


Mit 60 Jahren hat Angélique ihr Leben als Tänzerin und Verführerin in Nachtclubs zwar schon lange hinter sich. Aber dieses Milieu ist ihr Zuhause geworden: Ihre Freunde sind die Kolleginnen und ihre Unterkunft ist ein kleines Zimmer im Club, in dem sie arbeitet. Eines Tages hält ein langjähriger Kunde um ihre Hand an. Sie nimmt ihren Mut zusammen, zieht bei ihm ein und gibt ihren Job auf. Unterstützt durch ihre erwachsenen Kinder laufen die Hochzeitsvorbereitungen an. Kann ein so später Umbruch gut gehen?

Das Besondere an diesem in Cannes hoch gelobten Film (u.a. Camera d’Or) ist der semi-autobiographische Aspekt: Die Geschichte basiert auf dem wahren Leben der Protagonistin Angélique Litzenburger, der Mutter des Co-Regisseurs Samuel Theis. Ausserdem spielen alle Familienmitglieder sich selbst, was dem Film eine hohe Authentizität verleiht.

Entstanden ist dabei ein ruhiges Porträt über eine aussergewöhnliche Figur und das Leben, das diese eingeschlagen hat. Dabei verlässt sich Party Girl weitestgehend auf das Einfangen von Stimmungen und auf das Schauspiel Angéliques, die in jeder Szene zu sehen ist. Das klappt wunderbar und schafft es, den Film über knapp die ganze Länge zu tragen, obwohl die Handlung irgendwann auf der Strecke bleibt und das Gesprochene zu oberflächlich ausfällt. Kaum eine Figur scheint sich ernsthaft mit den interessanten Fragen zu beschäftigen. Kann es etwa nicht auch irgendwann zu spät sein, um einen Neuanfang zu wagen? Manches aus der Vergangenheit von der Protagonistin, das eventuell den erstaunlich positiven und konfliktfreien Umgang in ihrer Familie erklären würde, bleibt im Dunkeln, woran ausgerechnet die Authentizität leidet. Das trübt den Gesamteindruck des Films, welcher aber durch feinfühlig gemachte Bilder und sehr überzeugendes Schauspiel durchaus sehenswert ist.

Federico Chavez


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