Vor einigen Jahren kam ein abscheuliches Verbrechen an die Öffentlichkeit. Josef Fritzl hielt seine eigene Tochter über zwei Jahrzehnte im Keller des Familienhauses gefangen, wo er sie regelmäßig vergewaltigte. Infolgedessen gebar sie insgesamt sieben Kinder, von denen ein Teil mit ihr auf engstem Raum bis zur Befreiung lebten. Diese Geschichte inspirierte die Autorin Emma Donoghue zu ihrem Besteller „Room“, den sie selbst zu einem Drehbuch adaptierte und jetzt unter der Regie von Lenny Abrahamson verfilmt wurde. Doch trotz der grauenvollen Prämisse durch diese Tat, ist der Film keineswegs ein durchgängig dunkles, bedrückendes oder trauriges Drama, sondern ein erstaunlich positiver und schöner Film.
Das liegt vor allem daran, dass die Geschichte aus der Perspektive des Kindes erzählt wird. In der Vorlage von Donoghue teilen sich die junge Joy (Brie Larson) und ihr dort geborener Sohn Jack (Jacob Tremblay) einen etwa zehn Quadratmeter kleinen Raum; eine Scheune mit elektronischem Nummernschloss im Garten des Peinigers „Old Nick“, der sie vor über fünf Jahren in einen Hinterhalt gelockt hatte. Für den Jungen ist dieser Raum die einzige Welt, die es gibt. Er weiß nicht, dass da draußen noch eine weitere, riesige Welt existiert. Es gibt zwar einen kleinen Fernseher, aber das sei alles nicht echt und gäbe es gar nicht – so wird es ihm von seiner Mutter erzählt, die alles versucht um es ihm mit seinem Schicksal so angenehm wie möglich zu machen. Sobald die Tür aufgeht und der Entführer den Raum betritt, heißt es für Jack ab in den Schrank, wo er ein kleines Bettchen hat, und auch wir Zuschauer verstecken uns dort bis die Luft wieder rein ist.
Die Kinematographie ist somit ein besonders wichtiger Bestandteil dieses Films. Sie täuscht uns des Öfteren vor, der Raum sei viel größer, als er tatsächlich ist; ebenso wie Jack seine Welt wahrnimmt und wie er sie mit viel Fantasie zu füllen weiß. Oder die Kamera fängt fast schon dokumentarisch beiläufig Momente der Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Sohn ein, auf der allgemein der Fokus des Drehbuchs liegt. Für Jack ist seine „Ma“ wortwörtlich die einzige Bezugsperson, die es gibt, und er wiederum gibt ihr die Kraft weiterzuleben. Dass die Situation im kleinen Raum so wunderbar funktioniert, liegt zudem an einer fabelhaften Darbietung Brie Larsons, die im Verlauf des Filmes die verschiedensten Emotionen zu durchleben hat, vor ihrem Filmsohn aber versuchen muss, die Kontrolle über ihre Gefühle zu behalten. Beeindruckend ist ebenfalls die Leistung des jungen Jacob Tremblay, der diese schwierige Rolle authentisch bewältigt, gerade den kindlichen Part, ist er im realen Leben doch schon neun Jahre alt.
So viel sei vorweggenommen: die beiden kommen nach der Hälfte des Films frei. Die Kamera lässt uns als Zuschauer nachvollziehen, was in dem Jungen vorgehen muss, als er das erste Mal die „weite“ Welt erblickt: wie wunderbar die selbstverständlichsten Dinge wie Bäume, Himmel, Wolken etc. für ihn sind. Der Film bleibt seinem Stil auch dann weiterhin treu: Die Kamera bleibt stets in der Nähe von Jack, wie er die neue Welt erforscht und mit der unendlichen Flut an neuen Dingen klar kommen muss, aber durch ihn auch bei seiner Mutter, die mit dem Trauma ernsthafter zu kämpfen hat, als er. Das ganze Drumherum – der Fall, die Medien, das Rechtliche etc. – wird nur am Rande angedeutet.
Abrahamson und sein Team haben einen großartigen Film geschaffen (einer der besten, wenn nicht gar der Beste seiner Filme). Ein sehr intensives, zutiefst emotionales Drama, das dem Kitsch sowie dem eventuellen Sensationspotential des Falles sicher aus dem Weg geht, und das durch viele schöne, warme und wahrhaftige Momente der schrecklichen Rahmenhandlung entgegenzuwirken weiß.
Federico Chavez