Kino immer anders


Compton, Kalifornien. Im heruntergekommenen Vorort von Los Angeles wird 1986 Rapgeschichte geschrieben, als sich die jungen Musiker Eazy E, Dr. Dre, Ice Cube, MC Ren und DJ Yella zur Gruppe N.W.A. (Niggaz with Attitude) zusammenschliessen. Mit ihren aggressiven, wütenden und oftmals provokativen Reimen treffen die jungen Afroamerikaner den Nerv einer Generation und legen das Fundament für den modernen Gangsta-Rap. Doch die Anfangseuphorie trügt: Bereits nach kurzer Zeit treten innerhalb der Gruppe erste Unstimmigkeiten auf und die fünf Freunde drohen kurz nach ihrem ersten Album schon wieder auseinanderzubrechen.

Der biografische Streifen bildet den Aufstieg und Zerfall von N.W.A. ab, ohne das vielfältige Erbe der Involvierten kritisch zu hinterfragen. Das ist verständlich angesichts der vielen involvierten Produzenten, die verschiedene Interessen vertreten (neben Ice Cube und Dr. Der hat etwa auch die Witwe von Eazy-E den Film mitproduziert). Allerdings nimmt es der kontroversen und hitzigen Geschichte etwas den Biss. Man merkt, dass aus den aufmüpfigen und wütenden jungen Musikern mittlerweile sanfte Businessmänner geworden sind.

N.W.A.

Ice Cube, Dr. Dre, Eazy-E, DJ Yella und MC Ren (v. l. n. r.)

Auch die Zeit danach spielt im Film eine wichtige Rolle, sorgt allerdings dafür, dass der Film sich zunehmend in vielen kleinen Momenten verliert, die nicht so recht zu einem Ganzen zusammenwachsen wollen. Da taucht Tupac Shakur im Studio auf und Dr. Dre entdeckt den jungen Snoop Dogg, während Ice Cube solo durchstartet. Das alles geht zu Lasten anderer Hauptfiguren. DJ Yella und MC Ren werden im Film zu seichten Nebenfiguren degradiert. Obwohl einige biografische Details der filmischen Dramaturgie zum Opfer fallen, ist der Film für alle Hip-Hop-Fans ein Muss. Denn Straight Outta Compton schafft es, den Zuschauer mit vielen stark inszenierten und atmosphärischen Momenten in seinen Bann zu ziehen. Dazu zählen die intensiven Konzertauftritte, aber auch viele Situationen im Tonstudio und realen Erfahrungen mit Polizeigewalt und Diskriminierung.

Gerade bei der Polizeigewalt verspielt der Film allerdings viele Chancen. Die Parallelen der damaligen Zeit zu den heutigen Unruhen in amerikanischen Städten wie Ferguson hätten die Möglichkeit geboten, das Thema Rassismus und Diskriminierung tiefgründiger abzuhandeln und dem Film mehr soziale Relevanz zu verleihen. Doch die Begegnungen mit der Polizei bleiben episodisch und illustrierend. Gerade jüngeren Semestern bietet Straight Outta Compton dennoch eine perfekte Gelegenheit, einen Blick auf die Ursprünge des Gangsta-Raps zu werfen, ohne auf eine sehr moderne Inszenierung zu verzichten. Nostalgiker freuen sich über viele bekannte Situationen und ikonische Momente, und können in einer der Sternstunden des Raps schwelgen. Trotz aller Schwächen lohnt sich deshalb ein Kinobesuch; nicht zuletzt auch dank der guten schauspielerischen Leistungen. Besonders O’Shea Jackson Jr., der seinen Vater Ice Cube verkörpert, und Paul Giamatti als zwiespältiger Manager stechen aus dem Ensemble heraus.

Florian Schmitz


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