Kino immer anders


Die Geschichte würde genug Stoff bieten für einen klebrig inszenierten Historien-Schinken, in dem auch die ärmsten Menschen noch perfekt korrigierte Zähne hervorblitzen lassen: Freddie (Joaquin Phoenix) ist ein ausgedienter Soldat in den 50er Jahren, doch die Heimkehr ist nur physisch möglich. Ohne Beruf, ohne sozialen Halt und psychisch lädiert gelingt es Freddie nicht, sich wieder in der Gesellschaft zu integrieren. Er ist darum leichtes Opfer für Lancaster Dodd (Philip Seymour Hoffman), den charismatischen Sektenführer. Zwischen diesen beiden entwickelt der Film eine spannungsgeladene Beziehung rund um Traumatisierung und spiritueller Sinnsuche.

Dass der Film nicht vor Mitleid trieft, ist zu einem grossen Teil der grossartigen Leistung von Joaquin Phoenix zu verdanken. Durch sein intensivstes Schauspiel beginnt der gebrochene Soldat zu leben. Der Grund dafür ist, dass der Zuschauer von ihm abgestossen ist: Man sieht diesen Mann mit versunkenen Schultern, man erlebt seine gesellschaftliche Isolation, weil man ihn selbst ausschliesst. Und doch bleibt Freddie Mensch, vor allem mit seiner Suche nach dem Vergessen seiner Vergangenheit, die unüberwindbar seine Gegenwart bestimmt. Im Team mit Philip Seymour Hoffman entstehen Szenen, die an Intensität selten überboten werden. Auch wenn der Film keine filmische Revolution auslösen will und letztendlich relativ massentauglich daher kommt, bietet er Bilder, die noch lange auf der Netzhaut kleben bleiben.

Antonia Steger


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