„Wie es heisst, stand am Anfang das grosse Nichts. Alles war pechschwarz,“ eröffnet uns der Erzähler aus dem Off. „Der grosse Bestimmer fand aber, dass es so nicht geht…“, ein Mann zündet sich eine Zigarette an, „…und machte Licht.“ Der Film beginnt. Ein junger Barkeeper landet im Bett mit einer vermeintlichen Partygöre, die sich als Drogenfahnderin inkognito herausstellt. Flugs nimmt sein Leben eine Wende und er entscheidet sich, auf die Schnelle viel Geld verdienen zu wollen. Durch seinen neuen Beruf als Bodyguard lernt er einen Ex-Söldner kennen, der mit seiner blutigen Vergangenheit abschliessen möchte. Die zwei spielen Katz und Maus und es stellt sich die Frage, ob Freund oder Feind.
Mit dem Award «Best Independent Producer» wurde Time and Tide-Koproduzentin Nansun Shi am Filmfestival Locarno 2014 ausgezeichnet und dies zu Recht. Sie und ihr Mann Tsui Hark, Grossmeister des Genres, gaben dem Filmteam freie Hand, ihr Können spielerisch und experimentierfreudig in Szene zu setzen. Auffallend oft werden Schauspieler in der Halbnahe gezeigt – nur von der Hüfte an aufwärts – und die Kamera setzt sich wie eine unsichtbare Drittperson in Szene. Sie verfolgt die Protagonisten und schafft dadurch Point-of-View-Shots eines Unsichtbaren. Mal ganz nah ran ans Motiv, mal lässige Kameraschwenker, mal wilde Kamerafahrten. Time and Tide mag nicht mit seinem Plot oder seinen Charakteren punkten, doch braucht es das auch nicht. Non-Stop-Action und eine grosszügige Prise Verrücktheit reichen völlig aus, um emotional wie auch künstlerisch überzeugen zu können.
Um ein derart ungezügeltes Actionpotpourri umzusetzen, fehlt den Hollywood-Filmkollegen schlichtweg der Mut.
Ein Hoch auf das Hong Kong-Actionkino!
Lorenzo Berardelli