Kino immer anders


Den Übergang aus der Musikclip-Branche zum Kino meisterte Spike Jonze mit Bravour. Seine intellektuellen und philosophisch angehauchten Erwachsenenfilme Being John Malkovich und Adaptation wurden von Kritikern und Zuschauern gleichsam gefeiert. Nach Jahren der Spielfilmabstinenz nahm sich Jonze der Verfilmung von Maurice Sendaks beliebtem Kinderbuch Where The Wild Things Are an. Mit grosser Spannung durfte erwartet werden, wie sich Jonze in diesem filmischen Neuland schlagen würde.

Von seiner Schwester ignoriert und seiner bemühten, aber gestressten Mutter unverstanden, lebt der kleine, umtriebige Max ein einsames Vorstadtleben. Nach einem Streit mit seiner Mutter flüchtet er mitten in der Nacht von zu Hause und landet über Umwege in einem kleinen Ruderboot, das ihn in eine fremde Welt bringt, wo die titelgebenden «Wild Things» leben. Bei seiner Ankunft gibt Max sich als König aus und muss sich infolgedessen mit einer nie gekannten Verantwortung herumschlagen, um die zerstrittenen Monster erfolgreich in eine glücklichere Zukunft zu führen.

Die Vorlage dient aufgrund ihrer durch die junge Zielgruppe bedingte, einfache Erzählstruktur vor allem als Handlungsrahmen und stilistische Inspirationsquelle. Bei der Ausarbeitung der Kurzgeschichte genoss Jonze eine grosse Freiheit und verlieh ihr  zusätzliche Tiefe und gestaltete die Figuren facettenreicher. Folglich fallen die jüngsten Where The Wild Things Are-Liebhaber dieser Ausschmückung zum Opfer. Für sie ist der Film zu anspruchsvoll. Alle anderen erwartet eine wunderbare Reise in eine ferne Fantasiewelt, auf welche die Eltern ihre Kinder unbedingt begleiten sollten, denn sonst entgeht ihnen einer der besten und liebevollsten Familienfilme des neuen Jahrtausends.

Spike Jonze schafft den erstaunlichen Spagat, den Charme der Vorlage einzufangen, ohne etwas von seinem exzellenten Gespür für schöne Einstellungen und gute Musik einzubüssen. Der Film weiss visuell zu begeistern und lässt den Zuschauer ohne Mühe in die Welt der wilden Kreaturen eintauchen und am Schicksal Max‘ teilhaben. In dieser fremden Welt herrschen eigene Gesetze und Werte. So zeichnet Jonze die liebenswürdigen, überdimensionierten Fellknäuel mit einer Mischung aus elterlicher Lebenserfahrung, jugendlichem Leichtsinn und kindlicher Naivität und lässt den kleinen Eindringling viel über menschliche Werte und Erfahrungen lernen. Where The Wild Things Are ist ein stilistisch und inhaltlich überaus gelungener Film der Gross und Klein gleichermassen unterhält wie fasziniert und zum Kinobesuch mit der ganzen Familie einlädt.

Florian Schmitz


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