Wir befinden uns in den 50ern Jahren auf Coney Island. Der berühmte Vergnügungspark glänzt noch in voller Farbpracht und doch hat er seine besten Zeiten bereits hinter sich. Was auf den ersten Blick nicht sichtbar ist, nimmt Humpty (Jim Belushi) der Karussellbetreiber umso mehr wahr. Das Publikum wird rarer, die Attraktionen auf dem Rummel verlieren langsam ihre Anziehungskraft. Dass diese bunte Spasswelt nur Fassade ist, erfährt man von Ginny (Kate Winslet), der Ehefrau von Humpty, die einen Meeresfrüchteimbiss betreibt und von ihrem Leben die Nase gestrichen voll hat. Den immerwährenden Lärm hat sie so satt, sie hasst ihre Arbeit und die Besucher verachtet sie.
Und wenn da nicht ihr unehelicher Sohn wäre, der ihr ständig Sorgen bereitet, hätte sie den Rummelplatz und Humpty wahrscheinlich schon längst verlassen. So müht sie sich tagtäglich zutiefst unglücklich bei der Arbeit ab und trauert ihrer gescheiterten Karriere als erfolgsversprechende Schauspielerin nach. Da kommt Mickey (Justin Timberlake) gerade recht, der Rettungsschwimmer, der verkappte Schriftsteller, der davon träumt sich einmal als Autor in die grossen Dramaturgen einzureihen.
Ginny scheint da die ideale Inspiration, als Verkörperung der unglücklichen Ehefrau mit einer turbulenten Vergangenheit. Sie beginnen eine Affäre und lassen sich gemeinsam von ihren Sehnsüchten und unerfüllten Wünschen treiben. Da taucht plötzlich Humpty’s Tochter Carolina (Juno Temple) auf, die von der Mafia gejagt wird und nun bei ihrem Vater Unterschlupf sucht. Damit kommt das Liebeskarussell so richtig in Fahrt, denn Carolinas Schönheit lässt auch den verträumten Mickey nicht kalt und da wäre noch ihre spannende Vergangenheit, als Braut eines Mafioso…
Was für eine bunte Welt es doch war in den 50ern, möchte man denken, wenn man die Bilder sieht die Woody Allen in Wonder Wheel inszeniert hat, da erscheint uns die heutige Welt gleich viel fahler und grau. Der Strand, die vielen Menschen auf dem Rummel, alles scheint so leicht und vergnügt. Dazu steht im starken Kontrast das grosse Leid von Ginny, die sich von Migräne zu Migräne schleift und sich in dieser Spassgesellschaft nur abmüht. Obwohl das Spiel in Wonder Wheel eher einer Theaterinszenierung gleicht und oftmals den Gesten übertrieben Ausdruck verleiht wird, als ob man das Publikum in den hintersten Reihen mit aufwändiger Pantomime zu erreichen versucht, besticht doch die unglaubliche Tragik mit der die Protagonistin Ginny mit sich ringt.
Die Unzufriedenheit ist Kate Winslet ins Gesicht geschrieben und sie spielt die vom Leben enttäuschte und frustrierte tragische Figur hervorragend. Der Funken Hoffnung, als sie eine Affäre mit dem Rettungsschwimmer Mickey hat, zeigt sie genauso glaubwürdig wie das Aufflackern von Eifersucht und stetig wachsendem Hass gegenüber der Person Carolina. In Wonder Wheel lebt das Kino der tragischen Frauenfigur wieder auf, die mit melancholischem Blick aus dem Fenster schaut. Ihr Gefühlskarussell dreht sich unaufhaltsam, reisst alle mit ins Verderben.
Mir hat dieser Film sehr gut gefallen, nicht nur wegen dem unglaublich schönen Licht von Kameravirtuose Vittorio Storaro, der bereits in Allens letztem Film, Café Society mitgewirkt hat. Seine Handschrift ist bezaubernd, was man anhand von Werken wie Apokalypse Now (1979) und 1900 (1976) eindrücklich sehen kann und er macht das Licht in Wonder Wheel zum Akteur. Es ist aber die gesamte Mischung von Schauspiel, Stimmung und Licht, Musik und Timing und unglaublich guter Besetzung, die Wonder Wheel sehenswert macht.
Nicht zu vergessen ist die unglaubliche Komik, die mit einer Liebe zum einfachen Menschen, der sich ein besseres Leben wünscht, inszeniert wurde, die ich sonst bei Woody Allen so nicht kenne. Da erscheint der Intellektuelle nur noch am Rande, dessen Ratio sich als nutzlos erweist, ob der Irrungen und Wirrungen der Gefühle, die das harte Leben mit sich bringt. Die komödiantische Inszenierung nimmt dem Ganzen die Schwere, was den Vorteil der leichten Unterhaltung hat, aber dazu führt, dass der Film wenig nachhallt. Da es Woody Allen so gut gelungen ist die Tragik in Szene zu setzen, hätte er die Komik auch weglassen können. Doch möchte ich den typischen Allen Humor nicht missen – in welchem Film hat uns schon ein Rettungsschwimmer durch die Geschichte geführt, was für eine wunderbare (Fehl)Besetzung!
Franziska Merz