Ein einsamer Autor am Vorabend eines wichtigen Vortrags. Ein unendlich grosses Luxushotel im verregneten Cincinnati. Eine verflossene Liebe, eine neue Bekanntschaft und eine Nacht, um sich kennenzulernen. Lisa heisst die Frau, der Michael Stone im Hotel Fregoli begegnet. Sie ist anders als all die anderen. Anomalisa nennt er sie liebevoll. Michael und Lisa teilen einen kurzen Augenblick der Intimität, ein wenig Wärme zwischen den kalten Wänden des Fünf-Sterne-Baus. Doch die Realität in diesem Mikrokosmos ist entrückt, verzerrt, manipuliert und holt die beiden am nächsten Morgen schon wieder ein.
Anomalisa ist einer der faszinierendsten Filme der letzten Jahre. Die nur skizzenhaft ausgearbeitete Story entfaltet sich zu einem wunderschönen Erzählstück über Identität, Liebe und Einsamkeit. Der Film befremdet am Anfang. Die Animationen wirken ungelenk, die Puppen lieblos, die Stimmen irritierend monoton. Doch all diese Elemente sind Teil der Geschichte, absichtlich da um im Zuschauer ein Gefühl des Unbehagens auszulösen, welches die Hauptfigur schon seit langem befallen hat. Nach und nach gibt der Film seine Geheimnisse preis und stellt grosse Fragen, ohne dabei platte Antworten zu liefern. Faszinierend, wie es Kaufman, der Meister des melancholisch-absurden Kinos zusammen mit Duke Johnson gelingt, diese Plastikpuppen, so kalt und spröde, mit Sehnsüchten und Hoffnungen zum Leben zu erwecken. Anomalisa ist endlos traurig und endlos schön.
Claudio Fuchs