Am vergangenen Dienstag zeigte die Filmstelle den Science-Fiction-Klassiker Them!, in dem Ameisen sich durch atomare Tests zu riesigen Monstern entwickeln und daraufhin die Menschheit terrorisieren. Ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und dem amerikanischen Militär schafft es schlussendlich, der Insektenplage Herr zu werden. Eine ganz konventionelle Handlung über den Kampf von guten Menschen gegen fiese Ungeziefer, möchte man meinen.
Doch entspricht diese simple Interpretation tatsächlich der Realität?
Lösen wir uns für einen Moment von unserer menschenbevorzugenden Perspektive und betrachten die Handlung objektiv. Die Ameisen haben sich nicht für das Monsterdasein entschieden. Vielmehr wurden sie durch das nachlässige Verhalten von Wissenschaftlern aus ihrer natürlichen Entwicklung hinausgerissen. Als sie gegen ihren Willen zu riesigen Kreaturen mutierten, reichten ihnen die herkömmlichen Nahrungsquellen nicht mehr aus und sie mussten sich aus rein überlebenstechnischen Gründen menschlichen Siedlungen nähern.
Demgegenüber steht das aggressive Verhalten der Menschen. Diese versuchen zu keinem Zeitpunkt, den Ameisen Verständnis entgegenzubringen. Sobald sie mit einem der Tiere konfrontiert werden, eröffnen sie das Feuer. Bewaffnet mit Flammenwerfer und Maschinengewehr beginnen sie einen brutalen Ausrottungskampf, um ihre Dominanz über die Erde zu wahren.
Die Protagonisten zeigen sich jedoch nicht nur erbarmungslos gegenüber den Riesenameisen, sondern unterdrücken auch konstant ihre Mitmenschen. Der Bund aus Wissenschaftlern und Militär tritt die Rechte der Zivilgesellschaft mit Füssen. Der freien Presse werden wichtige Informationen vorenthalten. Die Flucht der Insekten nach Los Angeles dient als Vorwand, um in der Stadt das Kriegsrecht auszurufen und drakonische Richtlinien zu erlassen. Ein unschuldiger Mann wird in einer psychiatrischen Anstalt gefangen gehalten, weil sein Wissen die Regierung in eine unangenehme Lage bringen könnte. Randständige Mitglieder der Gesellschaft werden solange ausgenutzt, bis sie den Soldaten wichtige Informationen liefern, und anschliessend mit ihren Problemen alleingelassen.
Wer nach der Konfrontation mit diesen unwiderlegbaren Argumenten immer noch an der gesellschaftskritischen Ader von Them! zweifelt, möge sich noch einmal das Ende in Erinnerung rufen. In einer der letzten Einstellungen sehen wir friedfertige Jungameisen, die vom Militär auf grausame Art und Weise verbrannt werden. Nicht nur ist die Tat an sich erschreckend, auch die Bildkomposition hat sich verändert. Bis dahin wurden die Ameisen stets von unten gefilmt, um ihre Grösse zu unterstreichen. Am Ende sehen wir zum ersten Mal, wie die Menschen die höhere Position innehaben und von oben auf die Insekten herabschauen. Der Film entlarvt somit die von uns zuvor angenommene Dichotomie als falsch; die wahren Monster sind wir!
Wie Paul Verhoeven rund vierzig Jahre später in Starship Troopers schafft es Gordon Douglas, das latente faschistische Gedankengut der amerikanischen Gesellschaft auf satirische Weise in einer vermeintlich oberflächlichen Geschichte über den Kampf gegen Monster zu enthüllen. Die Riesenameisen repräsentieren nichts anderes als eine Minderheit, die von der herrschenden Klasse bewusst zum Feindbild hochstilisiert wird, um das Proletariat fügsam zu halten. Das brutale Ende unterstreicht somit den finalen Triumph des Raubkapitalismus‘; die Hoffnung auf einen solidarischen Zusammenschluss der Unterdrückten gegen das System geht buchstäblich in Flammen auf. Them! ist nicht nur eine brillante Darstellung der militaristischen USA der 50er Jahre, sondern auch eine erschreckend akkurate Zukunftsvision. Wer hätte gedacht, dass Trash so intellektuell sein kann?
Mischa Haberthür