Kino immer anders


1880 hält das Wunder der Elektrizität die Welt in Atem. Zur gleichen Zeit gebärt eine arme Frau in Budapest zwei Töchter, die sie Lili und Dóra tauft. Nach dem Tod ihrer Mutter werden die Zwillinge voneinander getrennt und bahnen sich ihre separaten Wege in das 20. Jahrhundert. Lili kämpft als Anarchistin und Feministin für eine gerechtere Gesellschaft, während die hedonistische Dóra wohlhabende Männer verführt und ausnimmt. Erst ihre Begegnungen mit einem enigmatischen Mann, der die beiden für ein und dieselbe Person hält, führen die Schwestern wieder zusammen.

An den unterschiedlichen Schicksalen von Lili und Dóra (deren Namen auf die Stummfilmikonen Lillian und Dorothy Gish anspielen) illustriert die ungarische Regisseurin Ildikó Enyedi in ihrem Regiedebüt die Träume und Hoffnungen des jungen 20. Jahrhunderts. Augenzwinkernd und mit viel Liebe zum Detail zeigt sie die Höhen und Tiefen der damaligen Zeit, die von Wissenschaft und Pseudowissenschaft, Fortschrittsglauben und Revolutionsgedanken geprägt wurde. Mit seinen expressionistischen Schwarzweissaufnahmen und seiner märchenhaften Atmosphäre ist My 20th Century zugleich eine wunderschöne Hommage an die Magie des frühen Kinos.

Mischa Haberthür


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