Kino immer anders


So beginnt Murnaus modernes Märchen Sunrise. Die Handlung ist schnell erzählt: Ein verheirateter, junger Mann vom Land verfällt einer schönen Touristin aus der Grossstadt. Sie stachelt ihn an, ihr zu folgen und dafür seine Frau bei einem Bootsausflug beiseite zu schaffen. Erst unmittelbar vor der Tat erkennt der Mann, welchem Wahn er verfallen ist. Zerrüttet streunt das Ehepaar daraufhin umher und landet mehr oder minder zufällig zum ersten Mal in der grossen Stadt. Eingeschüchtert und verzaubert zugleich vom Rhythmus des modernen Lebens erleben die beiden einen Tag voller unvergesslicher Momente, der auch ihre Liebe wiederaufblühen lässt.
Ende der 20er Jahre galten die Fox Studios als Inbegriff des kommerziell erfolgreichen aber künstlerisch anspruchslosen Filmschaffens. Um diesem Ruf entgegenzuwirken, holte William Fox den gefeierten deutschen Regisseur F. W. Murnau nach Hollywood, indem er ihm unbegrenzte Mittel für ein Projekt seiner Wahl versprach. Murnau nutzte diese einzigartige Freiheit, um das opulenteste und bezauberndste Werk des deutschen Expressionismus zu schaffen. Eine universelle Fabel über Liebe und Leben, deren Szenen die oftmals übersehene Poesie des Alltags bestechend einfangen. Mit seinen virtuosen Kameraeinstellungen, seinen extravaganten Sets und seinem begnadeten Spiel mit Licht und Schatten ist Sunrise ein wahres Feuerwerk der Filmkunst.

Mischa Habertür


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