Eine erfolglose Maklerin, ein Obdachloser mit wenig Hoffnung, aber stets gebügeltem Hemd und ein James Dean für Arme, immerzu lässig die Zigarette auf der Unterlippe balancierend, haben sich unabhängig voneinander die gleiche leerstehende Wohnung ausgesucht, um der Wirklichkeit zu entfliehen. Einer kann sich schlicht nichts Eigenes leisten. Der Zweite möchte seinem Leben ein Ende setzen und sie sucht Sex auf der unbezogenen Matratze der kalten Bude. Allen gemein scheint nur zu sein, nicht zu wissen wohin, mit wem und warum, Ihnen entgleitet ihr Leben und die anonyme Stadt bietet leider keinerlei Halt …
Die Stadt – hier Taipeh – ist weniger Moloch, sondern wird vielmehr als Ort der Sehnsucht und gleichzeitigen Entfremdung gezeichnet. Ein Nirwana unerfüllter Träume – Einsamkeit unter Millionen. Stille, wo eigentlich lauter Verkehr und emsiges Treiben herrschen sollte. Der stumme Blick aus dem Fenster, vorbeifahrende Autos, eine Sirene in der Ferne und farbloser Sex als einziges Mittel, um sich oder andere überhaupt zu spüren. Vive L’Amour schafft es mit seinen sorgfältig ausgesuchten Bildern, fernab von Wahrzeichen oder Touristenattraktionen, einen filmisch atypischen Zugang zur Stadt zu finden. Mit Zigarettenakrobatik und ohne Spannbettlaken.
Alexander Streb