Kino immer anders


Der Film eröffnet mit einer Aufnahme von Ziegler auf einer Autorückbank. Er spricht darüber, wie er sich auf Reden vorbereitet und zeigt der Kamera eine ausgedruckte Menschenrechtserklärung und Bilder von kranken und verhungernden Kindern. Artefakte, die ihm als Motivation dienen, wie er erklärt. Neues Bild. Jean Ziegler adressiert eine Menschenmasse in München. Bildwechsel. Er spricht in und zu den Vereinten Nationen. Schnitt. Er wendet sich nun zur Kamera und führt sie durch seine Arbeitsplätze.

Der erste Eindruck ist klar, Jean Ziegler spricht sehr viel und der Film wird ihm dabei gerecht. Und eine zweite Erkenntnis stellt sich ein: Jean Ziegler ist ein unermüdlicher Arbeiter, der die Mission hat, die Welt zu verbessern.

Ein kurzer Abriss seines Lebens, anhand von Archivbildern, zeigt seinen Werdegang vom wohlbehüteten Kind einer bürgerlichen Familie hin zum überzeugten Kommunisten und Kapitalismuskritiker. Im weiteren Verlauf des Films collagiert Regisseur Nicolas Wadimoff Bilder und Szenen, die er von und mit Ziegler einfing während er den Altrevoluzzer begleitet hat.

Geduldig folgt die Kamera dem gebürtigen Thuner in seine Arbeitszimmer, in die Menschenrechtskommission, in eine Summerschool und sogar nach Kuba. Mit seiner sorgfältigen Herangehensweise schafft es Wadimoff nicht nur das scheinbar unendliche Engagement, sondern auch Widersprüche im rastlosen Wirken von Ziegler aufzuzeigen.

Gleichzeitig verliert der Film durch die zahlreichen Mono- und Dialoge Zieglers an Dynamik. Die Kamera ist bei nahezu jeder Gelegenheit auf Zieglers Gesicht gerichtet. Einzig Bilder vom Hafen Havannas und von Erica, seiner Ehefrau und treuen Begleiterin, lassen den Zuschauer von Zeit zu Zeit ein wenig Abstand zum ideologischen Übervater nehmen.

Die Montage der Bilder trägt weiter dazu bei, dass weniger eine schlüssige Narration, sondern eher ein facettenreiches Portrait entsteht. Dieses Portrait sollte laut dem Regisseur mit „kritischer Empathie“ erschaffen werden.

Am stärksten zeigt sich die Umsetzung dieses Konzepts wohl dann, wenn Wadimoff sich selbst in eine gerade gefilmte Diskussion einmischt und versucht Ziegler zu widersprechen.

Der Film zeigt die polarisierende Figur Jean Zieglers ohne ihn beschönigen oder verunglimpfen zu wollen. Es wird uns ein Mensch präsentiert, der sein ganzes Leben gegen den Welthunger und den globalen Imperialismus angeschrieben und angeredet hat. Ein Mensch der einer Ideologie folgt, die heute nur noch schwer verständlich ist, und trotzdem mit einer Energie für die Weltverbesserung kämpft, die man nur bewundern kann.

Der Film überzeugt nicht durch seine cineastischen Qualitäten, zeichnet aber ein aufmerksames Portrait über einen Schweizer der hier blieb, um die Welt zu retten. Dieses Portrait ist sehenswert, vor allem weil es den Zuschauer dazu anregt sich selber zu fragen: An was glaubst du? Und, was würdest du tun?

Lucca Kohn


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