Kino immer anders


Ein Zug fährt durch Felder, Wälder und Dörfer, vorbei an kleinen Häusern und Haltestellen. Im Dampf der Lokomotive taucht ein Schild auf: Berlin 15 Kilometer. Die Häuser werden grösser und rücken näher zusammen, die Gleise vervielfältigen sich und das Ziel ist erreicht: Berlin Mitte der 1920er Jahre. Doch in der Grossstadt fängt der Tag gerade erst an; die Strassen sind leer, die Fensterläden zugezogen. Erst zögerlich, dann immer entschlossener öffnen sich Türen, Menschen strömen auf die Strassen und die Strassenbahnen gehen ihrer Wege. Die Arbeit des Tages wird aufgenommen und mit zunehmendem Tempo vermischen sich Maschinerien und Alltagsszenen zu einem Feuerwerk der Montage. Hier streiten sich zwei Hunde, dort heiratet ein Paar – die Stadt lebt und wird gelebt.

In einem Zusammenspiel von Rhythmus und Bewegung komponierte Walther Ruttmann eine wahrhaftige Sinfonie, die sich im sorgfältigen Aufbau des Filmes wiederfindet. Berlin als Weltstadt berauscht, betört und überwältigt mit ihrer Fülle und Vielschichtigkeit. Hier ist die Stadt selbst die Hauptfigur des Films – regelrecht ein lebendiger Organismus. Vertont wird der Stummfilm durch drei herausragende Solistinnen, die unlängst als elektronisches Trio zusammengefunden haben: Iokoi, Víz und Carla Boregas.

Vanessa Loretan


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